Sonntag, 19. September 2021

Ayumi.

Anfang Juni verweigerte sie zum ersten Mal Nassfutter. Zum gleichen Zeitpunkt wurde es auch sehr warm, also vermuteten wir verminderten Appetit aufgrund der Hitze. Das war nicht ungewöhnlich. Als sie das erste Mal erbrach, vermuteten wir erst, dass sie sich vielleicht etwas eingefangen hat, eventuell Magenbeschwerden hatte. Sie ging noch spazieren und war draußen total fit und normal. Zuhause war sie viel drinnen, statt im Garten, und ruhte viel, aber auch das war normal bei wärmerem Wetter.

Ich kochte eine Karottensuppe, die mochte sie nicht, aber als ich es mit Hühnchen und Reis versucht habe, hat sie die ganze Schüssel geleert und war munter wie eh und je. Spazieren gehen wollte sie nicht, aber wir waren doch positiv gestimmt, dachten wir, dass es eventuell nur eine Magenverstimmung sei, die fast vorüber war.

Gegen Nachmittag/Abend erbrach sie allerdings und wir sind zum TA. Es wurde Blut abgenommen und man gab uns Tabletten gegen eine Magenverstimmung mit. Wir sollten weiterhin Reis und Hühnchen geben. Für nächsten Montag wurde ein Ultraschall gebucht, früher ginge nicht. Ich war sehr angefressen, da ich den Zustand alarmierender fand als die Tierärztin. Das Nichtessen fand sie schon auch problematisch, aber Ayumi sei ja fit. Wir haben uns eine Notfallnummer geben lassen.

Sie fragte uns mehrmals, ob wir Blut im Stuhl gesehen hätten, ob ihr Stuhl schwarz sei, aber das konnten wir nur verneinen.

Zuhause gaben wir ihr eine Tablette, sie wirkte wieder mehr wie sie selbst, sie fraß tatsächlich etwas und behielt es auch. Ich blieb die Nacht über wach, um auf sie aufzupassen. Sie schlief viel.

Während ich Schlaf nachholte, erbrach sie nochmals und wir wählten daraufhin die Notfallnummer. Sie nahmen sie auf und wollten ein Ultraschall machen. Zum Abschied habe ich sie fest gedrückt und ihr einen Kuss gegeben, die Worte blieben mir im Hals stecken. Als ich unter Tränen rausgetorkelt bin, hatte ich mich gefragt, ob das bereits der letzte Abschied war. Während die zwei Tierärztinnen und Schwestern fanden, dass sie ja so fit und stabil sei, war für mich Alarmstufe Dunkelrot. Für mich ging es bereits um Leben und Tod. Ich war schließlich schon mal in einer ähnlichen Situation gewesen.

Am Nachmittag bekamen wir einen Anruf, dass der Bluttest in Ordnung war, sie hatte aber frisches Blut im Stuhl. Sie nahmen ihr NOCHMAL Blut ab, weil sie irgendwas sehr spezielles schauen wollten? Ich weiß es nicht mehr. Ich fand es unmöglich, dass ihr tausend Mal Blut abgenommen wurde, aber was weiß ich schon. Dieses Resultat zeigte dann, dass man eine leichte Entzündung sehen kann, aber auch hier wieder „kein wirklicher Grund zur Besorgnis“.

Am Abend bekamen wir endlich den Anruf der Tierärztin und sie sagte uns, dass man beim Ultraschall im Bauch/Unterleib eine Masse gefunden habe. Wahrscheinlich Krebs, man wisse nicht, wo genau er sitzt. Sie gab uns folgende Optionen:

- nicht operieren, weiterhin Tabletten geben und das Beste hoffen
- operieren, entweder es könne entfernt werden, oder nicht
- Palliativversorgung

Vier Optionen und drei davon bedeuteten den Tod. Wir waren am Boden zerstört und zu diesem Zeitpunkt glaubten wir, wir hätten Ayumi bereits verloren.

Ayumi wurde in eine andere Zweigstelle verlegt, wo sie ordentlich stationär aufgenommen und auch operiert werden konnte. Sonntagmorgen fuhren wir zur Klinik und wir waren immer noch im Glauben, heute könnte sie sterben. Wir wollten sie „noch ein letztes Mal sehen“, uns verabschieden. Die Mitarbeiter waren alle so freundlich und empathisch, wir durften Ayumi besuchen und viel Zeit mit ihr alleine verbringen. Ayumi war so überglücklich uns zu sehen, zur Begrüßung war sie 1:1 wie immer. Nach dem Adrenalinschub wurde sie allerdings schnell müde und schlief/döste die meiste Zeit. Wir sprachen dennoch mit ihr, streichelten sie die ganze Zeit. 

Nach ca. einer Stunde kam der Tierarzt zu uns rein und beschrieb nochmal die derzeitige Situation und unsere Möglichkeiten. Sie könnten sie hier operieren und man würde dann sehen, ob es entfernbar sei oder nicht. Sie könne in eine Spezialklinik überwiesen werden, die ein CT machen könnten und sehr viel Erfahrung mit Operationen solcher Art haben. Chemotherapie hat er in den Raum geworfen. Palliativversorgung sei keine Option, da sie nicht frisst. Sie würde verhungern.

Uns war klar, dass sie so wenig wie möglich leiden soll. Nach etwas Bedenkzeit stellten wir weitere Fragen. Da man nicht wusste, wo der Tumor genau sitzt, könnte sich herausstellen, dass er schlicht nicht entfernt werden kann. Wäre er im Darm, könne es sein, dass die Nähte nicht halten. (So habe ich Enno verloren.) Bisher wäre immer alles gut gegangen, aber das Risiko sei eben da.

Er könne ein „Superultraschall“ machen, dazu müsste sie aber sediert werden und wäre das Ergebnis schlecht, wäre es nicht fair, sie wieder aufwachen zu lassen. 

Wir durften einen kurzen Spaziergang mit Ayumi machen. Sie war sehr glücklich gewesen. Der Tierarzt riet uns, eine kurze Pause zu machen und etwas zu essen, wir waren ja schon seit Stunden da.

In dieser Zeit machte er nochmals einen (normalen) Ultraschall, den wir auch sehen durften. Er konnte uns zeigen, wie groß der Tumor ungefähr sei und dass ein Ultraschall nicht genau genug ist, um eventuelle Streuung zu sehen. Er sah zwar nichts, aber das müsse nichts heißen. Er konnte nicht festmachen, wo genau der Tumor sitzt. Entweder Milz oder Darm. Wäre es die Milz, wäre die Sache relativ unkompliziert. Säße er im Darm, käme es darauf an wo genau und selbst wenn er entfernt werden könne, bliebe das Risiko, dass die Fäden nicht halten.

Wir wollten ein CT machen lassen, der Tierarzt fand das sehr gut und stimmte uns zu. Da sie außerhalb der eigenen Tierarztpraxen keinen Transport anbieten, bekamen wir Ayumi nochmal mit nach Hause. Er sagte, auch so sei es besser, für uns und für Ayumi. Dass wir nochmal etwas Zeit miteinander verbringen können und sie Zuhause sein kann, statt in einer Klinik.

Der Tierarzt war unfassbar nett und empathisch, am liebsten hätte ich sein Gesicht gesehen und ihn umarmt. Wir sind so dankbar, dass wir so viele Stunden ungestört bei ihr sein durften, sogar nochmal mit ihr spazieren gehen konnten. Es hätte ja unser letzter Abschied sein können.

Zuhause war sie durch die starken Schmerzmittel die ersten paar Stunden nicht ganz sie selbst, desorientiert. Ich kochte Spaghetti Bolognese (Der Tierarzt sagte, egal was, Hauptsache sie frisst), aber sie wollte nichts. Nach 20 Uhr durfte sie nichts mehr essen.

Sie legte sich in den Garten und dort blieb sie auch die ganze Nacht. In der Nacht war sie wach, sie schaute gen Himmel. Es waren ganz viele Sterne zu sehen, kein einziges Wölkchen. Sie wirkte zufrieden.

Vor der Abreise war sie wieder müder, aber zog ihr Geschirr freudig an. In der Tierklinik angekommen teilte man uns mit, dass der Bericht der anderen Tierklinik noch nicht eingetroffen sei und man sich so oder so ein allgemeines Bild von Ayumi selbst machen wolle. Also nahm die Tierärztin Ayumi mit und weg war sie. Wir dachten, sie würde mit Ayumi zurückkommen, aber dem war nicht so……………………

Dann wurden wir weggeschickt, wir würden die Ergebnisse des CTs am Nachmittag erfahren. Gegen drei Uhr war es dann so weit und der Tierarzt, der sie wahrscheinlich auch operieren würde, teilte uns die Ergebnisse mit.

Der Tumor saß im Darm, man könne keine Streuung sehen. Die Lymphknoten seien minimal vergrößert, aber das müsse nicht zwingend heißen, dass der Krebs bereits gestreut habe. Wir waren so erleichtert. Der Eingriff selbst sei nicht das Problem, es wären die Nähte - wenn sie nicht halten, würde es sehr, sehr unschön werden. Das wusste ich nur zu genau.

Was für ein Tumor genau es sei, wisse man erst nach dem Einschicken. Sie würden Ayumi zwei, drei Tage behalten. Ein bis zwei Wochen nach der OP könne sie schon wieder ganz die Alte sein.

Auch diesem Tierarzt bin ich sehr dankbar. Er war sehr nett und sehr empathisch. Sie haben uns alle Zeit der Welt gegeben, haben Dinge doppelt und dreifach erklärt.

Ayumi konnten wir nicht nochmal sehen. Es schmerzte, aber es war auch ok. Es sollte ja alles gut gehen. Nach all dem Horror war ich nahezu fröhlich aufgeregt, denn die Chancen, dass sie die OP gut übersteht und ein langes, sorgenfreies Leben hat, waren einfach SO HOCH. 


Am nächsten Morgen um 11:42 Uhr kam der Anruf. Es wurde eine zweite Masse gefunden, der Krebs hatte doch gestreut. Ayumi wurde eingeschläfert.


Vier Tage lang dachten wir, heute könnte ihr letzter sein. Wir sind zu ihr in die Tierklinik gefahren mit dem Gedanken, uns ein letztes Mal von ihr zu verabschieden. Dann soll doch noch alles gut werden, wir wurden geradezu euphorisch, nur um sie dennoch einschläfern lassen zu müssen. Es war ein Höllentrip und manchmal bin ich mir nicht sicher, ob er überhaupt geendet hat.

Es schmerzt mich, Ayumi ebenso plötzlich verloren zu haben wie Enno. Von jetzt auf gleich einfach aus dem Leben gerissen. Ayumi hatte das nicht verdient. Es war viel zu früh. 



Ayumi war unser „gentle giant“ - sanfter Riese. Ich vermisse sie so sehr.
Ayumi war kein lauter Hund, aber es ist still im Haus.

Da Ayumi so viel im Garten war, habe ich sie oft mit „Mausi, hast du Hunger?“ gerufen, woraufhin sie freudig reingesprintet ist. Sie mochte es, von mir gerufen und „zu Tisch gebeten“ zu werden.

Eigentlich wollte ich auch für sie dauerhaft kochen. Den Plan hatte ich schon, aber als die Zusätze ankamen, ging es ihr bereits schlecht. Ich bereue es, dass ich erst mal testen wollte, ob mir das regelmäßige Kochen für Bent nicht etwa zu viel werden könnte. 

Unser erster Sommer mit Garten war so spannend und toll, dass Ayumi am liebsten die ganze Nacht draußen geblieben wäre. Sie liebte es, draußen zu sein und mochte es gar nicht, wenn es über längere Zeit regnete. Deshalb hatten wir ihr ein Häuschen gebaut und sie hat es sehr gerne angenommen. Es schützte auch vor Sonne. Leider verstarb Ayumi, bevor wir die Tür drangebaut haben.

Wenn es zu lange regnete, war das Ayumis Kompromiss. ♥

Deshalb bauten wir das Häuschen, sie liebte es. ♥



Wenn es warm wurde, ist Ayumi „aus dem Schlafzimmer ausgezogen“, und hat lieber in der Küche oder im Flur geschlafen. Ansonsten schlief sie bei uns im Schlafzimmer und sehr oft bei uns im Bett. Manchmal war Ayumi morgens die erste, die aktiv wurde, manchmal blieb sie noch liegen, wenn ich aufgestanden war, und manchmal schlief sie mit mir bis in die Puppen. Ich liebte es.

Sie liebte es, vor unserem elektrischen Kamin zu schlafen. 

Ayumi gähnte immer laut und ausgiebig, wenn sie morgens wach wurde und ich machte immer  mit und ahmte ihre Laute nach. Ich vermisse ihr lautes Gähnen. Ich vermisse ihren Seufzer, wenn sie sich während des Halbschlafs gestreckt hat. Ich vermisse es, mit ihr Rücken an Rücken im Bett zu liegen. Mich umzudrehen und ihr den Rücken zu massieren.



Spieleinheiten mit Bent sind immer zu seinen Gunsten abgelaufen, Ayumi war so lieb zu ihm. Sie haben gekuschelt und sich geputzt. Nicht ständig oder stundenlang, aber sie waren ein tolles Team. Sie haben beide voneinander profitiert und waren froh, sich zu haben.



Bent war die ersten drei Tage nach Ayumis Tod wie ausgewechselt. Dauergestresst. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Wahrscheinlich durch unsere tiefe Trauer. Es geht ihm wieder gut, aber er vermisst sie hin und wieder. Zumindest legt er sich manchmal an Orte, an denen er sonst nie lag, aber eben Ayumi. Bei Enno hatte er das auch gemacht. Bent hat nun zwei Partner verloren...

Hundebegegnungen waren mit Ayumi so gut geworden – viel besser als ich je zu träumen gewagt hätte. Hätten wir nur ein bisschen mehr Zeit gehabt, ich bin überzeugt, es wäre sogar noch besser geworden. Es wurde sich sogar nach ihr erkundigt, wo sie denn sei. Jeder mochte sie.

Ayumi war nicht grundsätzlich unverträglich, sie kam bisher mit jedem Hund sehr gut aus, den sie kennen lernen durfte. Ich wünschte, das wäre öfter möglich gewesen. Ich bin dankbar über jede Bekanntschaft, die sie machen durfte. Sie war so toll mit Akuma, Yoma und Souji. Wie toll Ayumi und Souji in der Bahn waren, als sie sich unter einen Tisch quetschen mussten, damit die Leute weitergehen konnten, werde ich nie vergessen. Ich werde nie die nächtlichen Spaziergänge mit Akuma und Ayumi vergessen, bei denen sich beide so toll verhalten haben. Ich werde nie vergessen, wie selbstverständlich Ayumi und Yoma zusammengelebt haben, wenn ich ihn gesittet habe. Auch bin ich überzeugt davon, dass Enno sie gemocht hätte, und sie hätte ihn gemocht.

Ayumi mochte lange und ausgiebige Spaziergänge. Sie mochte Wälder und offene Felder. Zuletzt war sie total vernarrt in Eichhörnchen, wie oft und lange wir stehen blieben, damit sie nach ihnen schauen konnte. Katzen waren auch sehr hoch im Kurs. Vögel nur manchmal. Wir vermissen sie auf den Spaziergängen. Denken dann ganz besonders an sie. Was wir auf den Strecken mit ihr erlebt haben. Was sie tun würde, bzw. getan hat, was ihr gefallen würde, bzw. gefallen hat.





Ayumi war so toll. Ich liebte es, mit ihr zu trainieren und zu tricksen. Sie hatte immer sehr viel Spaß und war mit Akita-Eifer dabei. Sie hat ihre Spielzeuge geliebt. Ihren Brokkoli, das kleine rosa Schweinchen, ihren Affen oder Dino. 


Egal ob nach dem Aufstehen oder Heimkommen, Ayumi begrüßte einen mit einem Spielzeug oder anderen Dingen, die für sie griffbereit waren. Sie war einfach so wundervoll in allem, was sie tat.



Ayumi war so eine genügsame und liebe Frohnatur. Sie war immer der Ruhepol und einfach da. Sie war einfach
so ein toller Hund, ich wünschte andere Leute könnten nachempfinden, wie toll sie war.

Das Feld hinter dem Zaun im Blick.





Es ist nun über drei Monate her und doch hätte ich erst heute schwören können, sie im Augenwinkel um die Ecke kommen sehen zu haben.

Ich träume von ihr. Dass sie plötzlich einfach wieder da ist und wir alle so voller Freude sind. Ich träume davon, sie ganz fest zu drücken und abzuknutschen. Dann wache ich auf.

Ich kann das Gewicht von Ayumis Kopf noch immer in meinen Händen und meinem Schoß fühlen. Ich fühle noch immer meine Hände durch ihr Fell streifen.

Ich vermisse Ayumi unsagbar sehr.


Ayumis letztes Bild, ein Tag bevor sie starb.